Die Entstehung eines Kreativquartiers
Die Entstehung eines Kreativquartiers

Kreativquartiere sind schon lange mehr als exotische Spielwiesen für Künstler*innen und Kreative. Es sind Orte, die überall in ländlichen Regionen und urbanen Räumen einen besonderen Mehrwert schaffen können: als Anlaufpunkt für die Einwohner*innen, als Innovationsort für wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung und für das, was wir für die Zukunftsentwicklung dringend brauchen: Platz für Experimente! In Göttingens Weststadt gibt es einen solchen Raum und das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes war eingeladen, den Standort bei der Ideenentwicklung zu unterstützen.

Die Entstehung eines Kreativquartiers

Kreativquartiere sind schon lange mehr als exotische Spielwiesen für Künstler*innen und Kreative. Es sind Orte, die überall in ländlichen Regionen und urbanen Räumen einen besonderen Mehrwert schaffen können: als Anlaufpunkt für die Einwohner*innen, als Innovationsort für wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung und für das, was wir für die Zukunftsentwicklung dringend brauchen: Platz für Experimente! In Göttingens Weststadt gibt es einen solchen Raum und das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes war eingeladen, den Standort bei der Ideenentwicklung zu unterstützen.

Die Entstehung eines Kreativquartiers

In Göttingens Weststadt befinden sich mehrere Quadratmeter große Freiflächen, zentral und doch im Grünen gelegen. Lagerhallen und ein Silo aus dem vorherigen Jahrhundert, alte Eisenbahnschienen, viel Raum zum Machen. Zurzeit wird das Areal zwar sehr vielseitig genutzt: Handwerker haben dort ihre Lager- und Arbeitshallen, Geflüchtete nutzen ein Haus als Übergangsunterkunft und die musa e. V. bietet Räumlichkeiten für Kulturveranstaltungen und Begegnungen an. Trotzdem wirkt das Areal verlassen und ungenutzt. Schnell bekommt man aber ein Gefühl dafür, welches Potenzial in diesem Ort liegt und was durch eine entsprechende Quartierentwicklung daraus werden könnte: Ein neuer Begegnungs- und Erlebnisort für die Göttinger*innen, ein Innovationslabor für ansässige Handwerksbetriebe und Unternehmer*innen, ein Highlight für Göttingen, das seine Strahlkraft weit über die Stadt hinaus in die Region oder sogar ganz Deutschland entfaltet.

In Kooperation mit der musa e. V. führte das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes zwei Workshops durch, zu denen Akteur*innen und Expert*innen der Kultur- und Kreativwirtschaft aus ganz Deutschland zusammengekommen sind, um gemeinsam mit der städtischen Verwaltung, Göttinger Unternehmer*innen, Interessierten und mit Unterstützung des Landes Niedersachsens einen Plan zu schmieden. „Es ist toll zu sehen, wie wir mit den Workshops Menschen in Göttigen bereits aktivieren und aufwecken konnten“, freut sich Tine Tidemann, Leiterin der musa e. V. und Initiatorin der Workshops, über das wachsende Interesse am Gelände in der Weststadt. „Unser Ort bietet viele Freiräume für eine neue Generation und generell Menschen, die anders denken.“

Visionär*innen unterwegs

Das Interesse an der Entwicklung der Fläche ist groß. Neben ortsansässigen Unternehmer*innen, sind auch Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler mit den zuständigen Kolleg*innen aus der Verwaltung und der Bundestagsabgeordnete Fritz Güntzler vor Ort. Gemeinsam mit Akteur*innen der Kultur- und Kreativwirtschaft, die aus ganz Deutschland angereist sind, wollen sie erleben und beobachten, wie Quartierentwicklung funktionieren kann. Und da tut sich einiges. Im Vordergrund der Ideen und Konzepte steht dabei stets die Frage nach dem Mehrwert für Göttingen: Als Lebensraum ebenso wie als Wirtschaftsstandort.

„Wenn wir hier etwas schaffen, was es sonst nicht gibt, dann können wir unglaublich viel Aufmerksamkeit auf uns ziehen und Besucher*innen aus ganz Deutschland nach Göttingen holen“, fasst ein Workshop-Teilnehmer den Prozess zusammen.

Viele spannende Ideen sind im ersten Workshop entstanden. Die größte und umfassendste Idee ist dabei die Vision, ein Brücklyn zu schaffen: Die Erschließung des Areals als Lebens- und Arbeitsraum auf der Basis einer außergewöhnlichen Brücken-Architektur: „Das Areal ist wie eine Insel“, beschreibt der Architekt Jan Albrecht die Entwicklung der Idee: „Mit unserer Brückenwelt können wir das Areal nicht nur durch seine neue Nutzung besser ins Göttinger Stadtleben integrieren, sondern verbinden das Gelände auch physisch mit der Stadt.“

Weitere Ideen sind ein Handwerks-Campus, ein internationales Musikfestival, integrierte Nähwerkstätten für Frauen mit Migrationshintergrund oder der Umbau des Silos zu einer deutschlandweit einzigartigen Kletterhalle. Über 16 Ideen sind im ersten Workshop entwickelt worden. Im zweiten Teil wurden sie im Rahmen von vier Präsentationen und einer örtlichen Begehung vorgestellt und auf den Prüfstand gestellt. „Wir haben den zweiten Workshop in drei Arbeitsschritte aufgeteilt“, erklärt Christoph Backes, Leiter des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes, das Vorgehen: „Träumen, Kritik üben und realistisch werden. D. h. zuerst darf jede*r seine Visionen teilen, damit diese nachher in einer einstündigen Session nach allen Regeln der Kunst auseinandergenommen und kritisiert werden kann. Am Ende können wir sehen, welche Ideen sich durchsetzen.“

Die Kritikphase ist sicherlich einer der schwierigsten Momente im Prozess, denn in der Kritikphase darf nicht Stellung bezogen oder Erklärungen geliefert werden: „Das ist doch alles zu klein gedacht“, „Wie soll denn das finanziert werden“, „Wer profitiert denn am Ende davon“. Viele Kritikpunkte klingen wie klassische Todschlagargumente, aber machen auch darauf aufmerksam, woran viele gute Projektideen oftmals scheitern. Trotzdem gibt es Projektideen, die im Kopf bleiben und eine große Zahl an Göttinger*innen – inklusive dem Bürgermeister, der die Ideenentwicklung und Zusammenarbeit begrüßte – die dranbleiben wollen. „Am Ende geht es darum, dass ihr euch jetzt zusammenschließt und den ersten Schritt geht“, ermutigt Benjamin Grudzinski von den Raumentwickler*innen von endboss aus Hannover aus seiner eigenen Erfahrung. „Selbst, wenn die erste Umsetzung noch weit entfernt ist von der Vision, die ihr im Kopf habt, heißt das noch nicht, dass die Vision am Ende nicht Realität werden kann.“

Jetzt ist es an den Göttinger*innen, das Potenzial des Ortes und ihrer Ideen zu realisieren. Tine Tidemann ist auf jeden Fall sehr zufrieden mit diesem ersten Zwischenergebnis: „Ich würde sagen, wir machen das jetzt einfach“, erklärt sie am Ende der Workshops optimistisch.

Die Planungen für die Weststadt in Göttingen gehen weiter. Hier erfahren Sie mehr über das Projekt und den aktuellen Stand: https://hw2.city/

Das Kreativquartier, ein Raum für Experimente

In Deutschland gibt es 82 Großstädte mit einer Einwohner*innenzahl über 100.000. Nahezu jede dieser Städte entwickelt und erschließt mittlerweile Kreativquartiere. Bei einer Einwohner*innenzahl von über 500.000, existieren sogar meist zwei bis drei Projekte, die gerade für eine kreative Nutzung zur Verfügung stehen. D. h. deutschlandweit existieren bereits über 100 Orte, deren Aufgabe u. a. darin besteht Stadterneuerung und Strukturwandel positiv mitzugestalten und alternative (Arbeits-)Räume für kreatives Unternehmertum zu bieten. Die Projekte, die dort existieren und entstehen, sind vielseitig und weisen doch an vielen wesentlichen Punkten Parallelen auf: Sie sind Technologie-versiert, suchen nach gesellschaftlicher Relevanz und setzen sich für ein nachhaltiges Wirtschaften und Leben ein. Egal, ob sie als Projekt der öffentlichen Hand, als eingetragene Vereine oder profitorientiert organisiert sind, bieten Kreativquartiere einen wichtigen Raum für Andersdenken und -handeln.

Foto: Gerngross Glowinski Photography
Text: Katja Armbruckner